Körperarbeit und Atem |
Leben und Atem sind eng miteinander verbunden. Ohne Atem erlischt das Leben nach wenigen Minuten. Der Atem ist nicht direkt fassbar, nicht greifbar. Sein Merkmal ist: er fließt, er schwingt durch, er verbindet verschiedene Ebenen, ist direkt oder indirekt mit jedem Regelkreis im Menschen verbunden wie keine andere Körperfunktion. Der Atem drückt sich über verschiedene Formen des Körpers und über die Stimme aus. Somit ist der Atem erfahrbar. Im Erfahrbaren Atem nach Prof. Ilse Middendorf lassen wir unseren individuellen Atem frei fließen, d.h., wir üben, den Atemfluss ungestört von Wunsch und Wille einfach nur zu beobachten. Mit der Zeit lernen wir das "Geheimnis" des Atems und Atmens, seine Gesetzmäßigkeiten sowie die Urbewegung unseres eigenen Atems immer besser kennen - und damit auch uns selbst. Insofern gibt es keinen "idealen" oder "richtigen" Atem, sondern nur unseren eigenen Atemrhythmus von Einatem, Ausatem und Atempause. Durch Atem, Sammlung und Empfindung wird über Hingabe und Achtsamkeit ein Empfindungsbewusstsein ausgebildet, das sich im fortgeschrittenen Stadium zu einem Empfindungsgewissen ausweitet. In dieser Weise dringen wir "Am Leitseil des Atems" (I. Middendorf) immer wieder zu den Ursprüngen unserer körperlichen und psychischen Verfassung vor, nehmen die Verbindungen zwischen unbewussten und bewussten Prozessen deutlicher wahr und erfahren die jeweiligen wechselseitigen Beeinflussungen. Über den Mittenzustand und die Substanzbildung wird es möglich, auch mitten im Alltag, sozusagen im ungeschützten Raum dermaßen bewusst im Körper, ja in den Körperzellen zu leben, wie wir es von keiner Atemtechnik kennen. Der Erfahrbare Atem richtet sich immer an das Heile in uns: unsere Selbstheilungskräfte, unsere innere Stimme wird geweckt und kommunikative Prozesse mit unserer Umwelt werden gefördert. Der Aufbau der Atemarbeit: - Hauptatemräume - Atem/Sammlung/Empfindung - Dehnungen - Druckpunkte - Vokalatemräume - Bewegungen aus dem Atem. "Er kommt und geht in seiner unverfälschten, unbewussten Funktion, aber durch mein Bewusst- und Gesammelt sein, auf das, was in mir geschieht, nehme ich diesen Prozess wahr und greife nicht in ihn ein, "manipuliere" ihn nicht. Es geschieht in mir - "ich bin" dieses Geschehen und zugleich der Zeuge dessen, was geschieht. Auf diese Weise öffnet sich ein Zugang, nicht nur zu unserem Körper, sondern auch zu Geist und Seele. Körper, Geist und Seele werden ganzheitlich erfahren. Zu warten und zu lauschen, bis der Atem in mich einströmt, wieder herausströmt, danach die Ruhe zuzulassen, um zu warten, bis er wieder von selbst kommt, das ist die Grundlage für den Erfahrbaren Atem.
|